Einführung des Panorama – Tests von Natera – Die deutsche Diskussion

by admin ~ Mai 20th, 2013. Filed under: Allgemein, Frauenheilkunde, Geburtshilfe, Genetik, Gesundheitsvorsorge, Pränatalmedizin.

20.5. 2013

Ab sofort bieten der deutsche Laborkonzern Amedes (ehemals Labor Wagner & Stibbe) und die US-amerikanische Genfirma Natera gemeinsam den nichtinvasiven Panorama-Test für die Pränataldiagnostik in Deutschland an. Hierzu berichtet am 13.5. 2013 das Pharma-Portal Pharma-Zeitung.de: "Ab sofort wird die amedes Gruppe den Natera-Test für nicht-invasive Pränataldiagnostik in Deutschland vertreiben. Amedes, bundesweit tätiger diagnostischer Dienstleister, teilte heute den Vertragsabschluss mit der US-amerikanischen Diagnostikfirma mit.  ……. Amedes und Natera sehen die nicht-invasive Pränataldiagnostik aus mütterlichem Blut als Ergänzung zur aktuell gängigen Nackentransparenz-Messung und der Messung biochemischer Marker (PAPP-A, freies βhCG). ……. Der Panorama Test kann ab der 9. + 0 Schwangerschaftswoche eingesetzt werden."

Diese Testeinführung in Deutschland kommt nicht unerwartet, sondern folgt einer ökonomischen Logik: Der europäische Markt ist für Pharmaunternehmen nach den USA der zweitgrößte der Welt. Allein im bevölkerungsreichsten EU-Land Deutschland belief sich lt. BPI das Produktionsvolumen der pharmazeutischen Industrie im Jahre 2010 auf 26,9 Mrd Euro. Folgerichtig ist in Deutschland der Produktlaunch des Panorama-Tests nur eine Zwischenstation hin zu der Etablierung eines neuen Gesundheitsmarkt-Segments der NIPT – Nichtinvasiven Pränataltests mit diversen Anbietern, wir er sich in den USA bereits mit allen damit verbundenen Anpassungsprozessen vollzogen hat.

Zum sicheren Nachweis eines fetalen Gendefektes ist immer noch die Durchführung einer invasiven Diagnostik (Goldstandard: Amniozentese, Fetalblutentnahme, Chorionzottenbiopsie) zwingend erforderlich. Diese birgt ein eingriffsbedingtes Risiko von ca. 1% für eine Fehlgeburt eines gesunden Kindes. Eines der großen Ziele der Pränataldiagnostik war und ist es daher, die invasive Diagnostik nur solchen Schwangeren anzubieten, bei welchen eine möglichst präzis erfasstes tatsächliches Risiko für eine fetale Aneuploidie gegeben ist. Entsprechend wurden immer verfeinerte Strategien entwickelt, um das tatsächliche individuelle Risiko einer Schwangeren für das Vorliegen einer genetischen Erkrankung des Feten zu erfassen. Ausgangspunkt war dabei das immer noch in den Mutterschaftsrichtlinien verankerten Konzept des Altersrisikos. Es wurde bis zum kombinierten NT-Test nach Nicolaides mit seiner mittlerweile sehr detaillierten zusätzlichen Analyse von fetaler Anatomie und placentarer Funktion (Konzept: "Turning the Pyramid of Care") als gegenwärtig gültigem Goldstandard der nichtinvasiven Überprüfung fetaler Gesundheit hin weiterentwickelt.

Durch das den NT-Test ergänzende Hinzutreten der NIPT ist es gelungen, die Erfassung tatsächlich erkrankter Feten nochmals deutlich zu erhöhen: Die Sensitivität in der Entdeckung des Downsyndroms steigt von 95 % (kombinierter NT-Test) auf  > 99% (kombinierter NT-Test plus NIPT). Für Suchverfahren weitaus bedeutsamer ist dabei, daß es gleichzeitig hierdurch gelungen ist, die Charakterisierung von tatsächlich gesunden Feten nachhaltig zu erhöhen: Die Spezifität im Ausschluß des Downsyndroms steigt von 95% (kombinierter NT-Test) auf > 99% (kombinierter NT-Test gefolgt von NIPT). Folge hiervon ist die drastische Senkung unnötiger invasiver Prozeduren an gesunden Feten.

Insofern ist es dem Grunde nach begrüßenswert, daß mit dem Panorama-Test der mittlerweile zweite Anbieter ein NIPT-Verfahren auf den deutschen Pharmamarkt etablierten möchte. 

Eine spezifische Besonderheit des Panorama-Tests in seiner gegenwärtigen organisatorischen Ausbaustufe ist, daß die molekulargenetische Untersuchung (technische Testdurchführung – eigentliche Laborleistung) in den USA duchgeführt wird. Die Probenentnahme und ärztliche Ergebnismitteilung (ärztliche Leistung) erfolgt dagegen durch den behandelnden Gynäkologen in Deutschland. Dieses technische Laborverfahren ist bisher in Deutschland nicht CE-zertifiziert und folglich nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) noch nicht als in-vitro-Diagnostikum zugelassen. In den USA ist das Natera als Labor CAP-akkreditiert und der Panorama-Test CLIA-zertifiziert. Bezüglich einer etwa erfolgten Zulassung bei der in den USA hierfür zuständigen obersten Gesundheitsaufsichtsbehörde FDA – Food and Drug Administration schreibt Natera auf der Homepage panoramatest.com: "The Panorama prenatal test was developed by Natera, Inc., a laboratory certified under the Clinical Laboratory Improvement Amendments (CLIA). This test has not been cleared or approved by the U.S. Food and Drug Administration (FDA)." (Zugriff 20.5.13).

Diese augenblickliche Situation ist nicht unproblematisch: Schließlich wirft sie eine Fülle ungeklärter medizinischer und juristischer Fragen – insbesondere für den Fall einer Arzthaftungsklage im Falle eines falsch-negativen Testergebnisses – auf. Dieses Risiko, daß der Panorama-Test ein unauffälliges (negatives ) Ergebnis ausweist und nach erfolgter Geburt ein Down-Syndrom diagnostiziert wird, ist in Anerkennung des Testprinzips und seiner bisher publizierten Testleistungszahlen sicherlich gering, kann allerdings nicht vollständig ausgeschlossen werden. Als generelle Anhaltsgröße gilt, das statistisch etwa jedes 300te NIPT-Testergebnis (=0,3%) nicht zutreffend ist (falsch-positiv oder falsch-negativ) und immerhin 0,5-4% aller Untersuchungen kein klinisch verwertbares Ergebnis liefern. Hier herrscht ganz offensichtlich ein noch erheblicher Klärungs- und Regulationsbedarf von medizinischer, administrativer und juristischer Seite.

 

 

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