Encode-Projekt: Die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts

by admin ~ September 7th, 2012. Filed under: Allgemein.

In dem Spiegel-Artikel vom 5.9.2012 mit dem Titel "Forscher entschlüsseln Geheimnisse des Erbgut-Mülls" wird über die neuen Forschungs-Ergebnisse des ENCODE-Projekts berichtet: Dort heißt es: "Mehr als 90 des menschlichen Erbguts galten lange als nutzlos, Forscher sprachen sogar von Müll-DNA. Doch eine neue Analyse zeigt: Im größten Teil des vermeintlichen Schrotts stecken wichtige Funktionen – und wertvolles Wissen über tödliche Krankheiten."

Gemeint sind hier die sogenannten "nicht-codierenden" Abschnitte des Genoms. Diese machen beim Menschen etwa 95% der Gesamt-DNA aus. Umgekehrt werden die etwa 22.000 menschlichen Gene, diskontinuierlich auf den 2×23 Chromosomen verteilt, in 2 bis maximal 5% der Gesamt-DNA verschlüsselt. Insofern kam bisher, was die Lesbarkeit der menschlichen DNA anbelangt, das menschliche Genom einem Buch gleich, in welchem nur auf wenigen (2-5%) Seiten die "Schrift" lesbar war.

Durch die systematische Analyse des ENCODE-Projektes konnt nun für 80% der sogenannte nicht-codierenden DNA-Abschnitte nachgewiesen werden, daß diese Elemente enthält, welche mit einer biochemischen Funktion und damit einer biologischen Aktivität verbunden sind. Davon kodieren 1,2, % für all die Eiweisse des Körpers, aber weitere 20% dienen der Steuerung dieser Gene. Hierzu war eine Grundvoraussetzung, daß in jünster Zeit neue, kostengünstige DNA-Sequenzierungsmethoden entwickelt wurden. Diese erlaubten es, das menschliche Genom in seiner gesamten Breite in vielen hundert unterschiedlichen Zell-Linien zu analysieren. 

Die Resultate dieser Analyse wurden in einem Übersichtsartikel in der renommierten Zeitschrift "Nature" veröffentlicht. Dieser Artikel verweist auf 6 weitere Nature-Publikationen, in welchem die einzelnen neuen Erkenntnisse dargestellt werden. Diese erklären in einem neuen, präzieseren Licht, wie unterschiedlich differenzierte menschliche Zellen durch die Wechselwirkung mit der "nicht-coderenden DNA" in ihrer biochemischen Aktivität reguliert werden. Darüberhinaus sind auf der ENCODE-Seite der Zeitschrift Nature 40 Artikel online gestellt. 30 der Artikel sind durch eine Matrix verlinkt: So kann jeder Aspekt der Ergebnisse des ENCODE-Projektes quer verfolgt werden.

Hierzu heißt es im Spiegel-Artikel: "Ein überraschend großer Teil der DNA kann zudem als Blaupause für sogenannte RNA dienen. Sie dient – abgesehen von der Boten-RNA, die von Genen abgelesenen wird – nicht als Vorlage für Proteine. Sie kann aber in Zellen zahlreiche Funktionen erfüllen, etwa die Aktivität eines Gens drosseln oder antreiben. Rund 75 Prozent des Genoms könnten zumindest zu bestimmten Zeitpunkten in bestimmten Zelltypen in RNA umgeschrieben werden, heißt es in "Nature". Auch auf die Erforschung verschiedener Krankheiten wird der Genom-Atlas einen Einfluss haben. In sogenannten Genome-wide Association Studies (GWAS) suchen Forscher nach Veränderungen einzelner Basen der DNA, die bei Erkrankten häufiger auftreten als bei Gesunden, beispielsweise bei Multipler Sklerose oder Krebs. Bisher haben sich die Wissenschaftler dabei vor allem auf Mutationen konzentriert, die in einem Gen oder einer bekannten regulierenden Region liegen. Das war zu kurz gedacht, zeigt sich jetzt. Als Beispiel nennt ein Forscherteam in "Nature" acht Punktmutationen, die mit Entzündungskrankheiten in Verbindung gebracht werden, aber in einer angeblichen Genwüste liegen – also einem Bereich, der als funktionslos galt. Nun stellt sich heraus, dass einige dieser Veränderungen an Schaltern liegen, die in speziellen Immunzellen aktiv sind. Darin steckt eine gute Nachricht: Bisher bereits durchgeführte GWAS enthalten wahrscheinlich deutlich mehr Erkenntnisse als gedacht, was das Verständnis verschiedener Krankheiten voranbringen könnte."

Weitere Medienquellen zum ENCODE-Projekt und seinen 2012er-Ergebnissen:

Die ZEIT: Erbgut-Daten – Das Genom ist ein Dschungel voll seltsamer Kreaturen
Die ZEIT: Der Datensatz des Lebens inst online

Stern: Mega-Datenbank zeigt: Fast alles Erbgut hat eine Aufgabe
Neue Zürcher Zeitung: Kaum "Überflüssiges" im Erbgut
Tagesspiegel: Schlatzentralen des Lebens

Weitere Fachquellen:

– Press release des EMBL-European Molecular Biology Laboratory: Massive DNA encyclopedia scraps the junk

 

 

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