1. Juli 2013: Inkrafttreten der neuen Bestimmungen zum Ultraschallscreening in den Mutterschaftsrichtlinien

30.5. 2013

Am 1. Juli 2013 treten nun endgültig die neuen Bestimmungen zum Ultraschallscreening in den Mutterschaftsrichtlinien in Kraft. Damit findet ein langjähriger gesundheitspolitischer Adaptationsprozess, wie Schwangerenvorsorge organisiert werden soll, seinen vorläufigen Abschluß. Entstanden war ein Anpassungsbedarf durch die starke Entwicklungsdynamik in der vorgeburtlichen Ultraschalldiagnostik seit Inkrafttreten der letzten Ultraschall-Novellierung der Mutterschaftsrichtlinien im Jahre 1995. Damals war das ursprünglich 1980 eingeführte Konzept einer Begleitung der Schwangerschaft durch zwei Ultraschalluntersuchungen auf drei Ultraschall-Sreening-Untersuchungen erweitert worden.

Inhaltlich sieht die jetzige Novelle (Vergl. aktualisierte Mutterschaftsrichtlinien, Entwurfsversion vor Veröffentlichung) folgende Änderungen vor:

– Das Recht auf Nichtwissen wird eingeführt (als optionales bzw. abwählbares Angebot): Die bisherige Formulierung der Richtlinien, die besagt, dass ein Ultraschallscreening durchgeführt werden soll, wurde geändert in „soll angeboten werden“. 
– Es wird – zusätzlich zu den bisherigen Basisinhalten des Ultraschallscreenings im zweiten Trimenon – die Option zur Durchführung einer erweiterten Basis-Ultraschalluntersuchung eröffnet. Die zu beurteilenden Strukturen werden im Einzelnen genannt. 
– Befähigungsnachweis als Qualifikationsanforderung: Ärzte, welche die erweiterte Ultraschalluntersuchung durchführen, müssen gegenüber ihrer Kassenärztlichen Vereinigung nachweisen, dass sie die fachliche Qualifikation dafür besitzen

Ungewöhnlich war dabei die Art, wie die Novelle ordnungspolitisch umgesetzt wurde:

Die Mutterschaftsrichtlinien und damit die Bestimmungen zum Ultraschallscreening definieren eine Struktur- und Versorgungsqualität in der Betreuung der gesetzlich versicherten Schwangeren. Damit fallen sie mit Blick auf Definition und Weiterentwicklung in den Zuständigkeitsbereich des Gemein­samen Bundes­aus­schusses (G-BA) als Organ der mittelbaren Staatsverwaltung im selbstverwalteten Gesundheitswesen: Dieser ist als oberstes Beschluss­g­re­mium der gemein­samen Selbst­ver­wal­tung im Gesundheitswesen Deutschlands beauftragt, in Form von Richt­li­nien den Leis­tungs­ka­talog der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versi­cherte festzulegen. Damit legt der G-BA fest, welche Leis­tungen der medi­zi­ni­schen Versor­gung von der GKV erstattet werden. 

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte bereits am 16. September 2010 die Änderungen der Mutterschafts-Richtlinien für den Bereich Ultraschall dem Grunde nach in einem "Vorratsbeschluss" genannten Dokument festgelegt und diese Novelle veröffentlicht. Sie trat allerdings nicht – wie sonst – nach Ablauf der Beanstandungsfrist des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft, weil zu ihrer praktischen Umsetzung erst noch gewisse organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden mussten. Hierzu zählten

– die Anpassung des Mutterpasses (vergl. Vortrag Prof. Chaoui Ultraschalltagung Erfurt 2012)
– die Erstellung eines "Merkblatt" genannten Aufklärungsblattes für die Schwangere durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) als Anlage 5 der Richtlinien
– die Novellierung der Ultraschallvereinbarung
– die Operationalisierung der Online-Ultraschall-Fachwissensprüfung durch die KVen (entsprechend der geänderten Ultraschallvereinbarung)
 

Diese Voraussetzungen sind nunmehr erfüllt, nachdem als letzte Anpassung das Merkblatt dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Prüfung vorgelegt (Vergl. G-BA-Pressemitteilung vom 21.3. 2013und es nicht beanstandet wurde. Damit erhät die so neu geordnete Mutterschaftsrichtlinie mit Bekanntmachung im Bundesanzeiger zum 1. Juli 2013 bindende Gültigkeit.

Interessanterweise ist eine ursprünglich formulierte Voraussetzung zur praktischen Umsetzung des Voratsbeschlusses bisher unberücksichtigt geblieben: Es handelt sich hierbei um 

– die Änderung des EBM (Gebührenordnungsziffern 01769 und 01771, Vergl. Publikation Dr. Klaus König im Frauenarzt vom März 2012)

Hierzu schreibt die KV Hamburg ("Ultraschall in der Schwangerschaft"): 

"Bisher steht für diese Leistung keine GOP (Gebührenordnungsposition) zur Verfügung. Da die vorhandene GOP 01770 “Betreuung einer Schwangeren“ diese neue Leistung nicht abdeckt, empfiehlt die Kassenärztliche Bundesvereinigung folgendes Vorgehen: Wenn Sie die Leistungen des erweiterten Basisultraschalls / Screenings nach der neuen MuRL (Mutterschaftrichlinien) erbringen, rechnen Sie zunächst die GOP 01770 ab. Zudem erstellen Sie eine Privatrechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) über den zusätzlichen Aufwand für das Screening aus. Die Patientin kann die Rechnung zur Kostenerstattung bei ihrem Leistungsträger einreichen."

 

Dieses bewusste Aussparen der Frage, wie der erhebliche organisatorische, medizinische und auch medicolegale Mehraufwand, welche die Novelle für die einzelne Frauenarztpraxis bedeutet, vergütet werden soll, ist schon bemerkenswert. Im Endeffekt ist es damit den Vertretern der Krankenkassen gelungen,

 

– die sonographischen Pflichten des Schwangerenvorsorge betreibenden Frauenarztes erheblich auszuweiten: Entscheidend ist hierbei weniger der bei der erweiterten Ultraschalluntersuchung gem. Mutterschaftsrichtlinien vermehrte zeitliche und inhaltliche Umfang, sondern vielmehr, dass hier erstmals in der Primär-Ultraschalldiagnostik vom Untersucher explizit zu speziellen Fragen fetaler Fehlbildungen rechtsverbindlich Stellung bezogen werden muß.
– ohne daß das Gesamt-Vergütungsbudget der Kassen auch nur mit einem Cent belastet würde.

 

 

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