Debattencheck NIPT – PraenaTest – Der neue Versuch einer strukturierten gesellschaftlichen Diskussion

Die relativ neuartige Methode der "NIPT" genannten Bestimmung fetaler Erbeigenschaften aus mütterlichem Blut war zum Zeitpunkt der Markteinführung in Deutschland 2012 Gegenstand einer intensiv geführten gesellschaftlichen Diskussion. In der Folgezeit kam es im praktischen Umgang mit der Methode, wie auch in der journalistischen Berichterstattung zu einer allgemeinen Beruhigung. Jetzt rückt durch die Markteinführung von Konkurrenzprodukten zum PraenaTest die Thematik NIPT / NIPD / PraenaTest wieder mehr in den Fokus gesellschaftlicher Aufmerksamkeit.

Diese Diskussion versucht der Wissenschaftsjournalist und Autor Ralf Grötker (Vergl. Denic-Domainabfrage Whois) mit dem Internetauftritt www.debattenprofis.deFaktencheck PraenaTest 1, Faktencheck PraenaTest 1 – Fortsetzung und Faktenckeck PraenaTest 2 über die Methodik eines strukturierten Diskurses inhaltlich-sachlich zu fokussieren und damit abzukürzen (Vergl. Debattenprofis – Spielregeln).  Vom Prinzip her werden pro einzelnem Faktecheck je eine grundsätzliche Frage zum Umgang mit dem PraenaTest formuliert und über die strukturierte Diskussion einer Antwort zugeführt. Ein zentrales Instrument ist dabei, einmal formulierte Argumente in einem Entscheidungsbaum zu fixieren; hierdurch sollen in der Diskussion Redundanzen vermieden werden. 

Beim Faktencheck PraenaTest 1 wird die Frage bearbeitet, ob moralische Bedenken insbesondere hinsichtlich der Diskriminierung Behinderter die Forderung untermauern können, dass die Finanzierung des Praena-Tests nicht durch die öffentliche Hand erfolgen soll (konkret: durch die gesetzlichen Krankenkassen).

Beim Faktencheck PraenaTest 2 wird die Frage bearbeitet, ob es angesichts der Möglichkeiten, die sich mit dem Praena-Test eröffnen, nötig sein wird, neue Maßnahmen zum Schutz des ungeborenen Lebens zu treffen. Diese Forderung (nach einem „über die Pflichtberatung nach §218a Abs. 1“ hinausgehenden „Schutzkonzept“) wird dem Gesetzgeber vom Ethikrat in seiner jüngsten Stellungnahme ausdrücklich nahe gelegt.

Unabhängig von den hier hergeleiteten Ergebnissen ist aus pränatalmedizinisicher Sicht hierzu Folgendes anzumerken:

Diese versachlichende Vorgehensweise, an dieser Stelle eine klare, einfache Fragestellung zu formulieren und über einen auf weitgehend rational entwickelten Argumente getragenen Entscheidungsbaum so zu strukturieren, daß eine demokratischen Prinzipien folgende sachgetragene Mehrheitsmeinung in Art einer Beschlussfassung als logischer Endpunkt entwickelt wird, ist aus pränatalmedizinischer Sicht prinzipiell begrüßenswert. Sie strafft eine Diskussion und vermeidet die ansonsten häufig anzutreffenden schrillen Beitöne

Dennoch ist diese Methodik nicht gegen Mißverständnisse im Zusammenhang mit bestehenden gesellschaftlichen Regeln zur Pränatalmedizin gefeit. Fließen diese, als"Sach"- Fragen im Entscheidungsbaum formuliert, in den Gesamteinscheidungsprozess mit ein, erhält dieser eine verzerrende, u.U. fehlleitende Beeinflussung des Gesamtdiskurses und des angestrebten Endpunktes.

Ein Beispiel: Im Ergebnis-Report zum Faktencheck PraenaTest 1 wird als Methodik zur Bearbeitung der Frage der Diskriminierung formuliert:

" ……..Das Argument der direkten Diskriminierung lässt sich durch vier Prämissen (Thesen) stützen (die alle zugleich wahr sein müssen, damit die in Frage stehende Behauptung (Konklusion) auch wahr ist). Ein etwas förmliches Verfahren – aber hilfreich, um auseinanderzudividieren, was auf dem Spiel steht. Hier sind die vier Prämissen samt Konklusion: 

  1. Der Praena-Test dient vorrangig dem Ziel, die Geburt von Kindern mit einer bestimmten genetischen Anomalie (T21) zu verhindern
  2. Ungeborene Kinder mit einer bestimmten genetischen Anomalie gehören zu der Gruppe „Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen“
  3. Alle Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen haben das Recht auf umfassenden Schutz gegen Diskriminierung.
  4. Ein Test, der vorrangig dem Ziel dient, die Geburt von Kindern mit einer bestimmten genetischen Anomalie zu verhindern, diskriminiert ungeborene Kinder mit einer bestimmten genetischen Anomalie Konklusion: Der Praena-Test verletzt das Recht von Kindern mit einer bestimmten genetischen Anomalie auf umfassenden Schutz gegen Diskriminierung. ……"

Diese Prämissen kann man so nicht formulieren: 

– Die Deutungshoheit eines pathologischen pränatalmedizinischen Ergebnisses liegt in der schlußfolgendenden Konsequenz ausschließlich bei der hiervon betroffenen Schwangeren selbst. Insoweit kann weder ein Testanbieter noch ein diagnosvermittelnder Arzt hier die Verhinderung der von Kindern mit einer bestimmten genetischen Anomalie (T21) als Ziel verfolgen. Dieser Prämisse liegt das häufig anzutreffende Fehlkonzept zugrunde, daß die Schwangere – entgegen der geltenden Gesetzeslage (§218 a(2)) und entgegen den Prinzipien des mündigen Patienten, der informierte Entscheidungen trifft – durch dritte Kräfte zur Entscheidung eines Abbruches gedrängt oder genötigt würden.

– Die Rechtsstellung des Feten und die des geborenen Menschen sind durchaus unterschiedlich: Der Fetus ist im deutschen Rechtssystem mit den in Artikel 1 bis 19 Grundgesetz kodifizierten Grundrechten versehen, allerdings zwischen Implantation und Geburt kein rechtsfähiges Subjekt (§1 BGB) (Vergl. Artikel Alexander Scharf: Zur Rechtsstellung des Feten im deutschen Gesundheitsystem). Insofern lassen sich die nachgeburtlichen Konzepte einer Diskriminierung nicht 1:1 auf die vorgeburtliche Situation übertragen.

 

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