Gemeinsame Erklärung zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2012

by admin ~ März 21st, 2012. Filed under: Allgemein.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe hat gemeinsam mit den maßgeblichen deutschen Down-Syndrom-Organisationen (Arbeitskreis Down-Syndrom – Bundesweite Beratung und Information, Deutsches Down-Syndrom InfoCenter, Down-Syndrom Netzwerk Deutschland, KIDS Hamburg Kontakt- und Informationszentrum Down-Syndrom) am 21.3. 2012 ein "Gemeinsame Erklärung zum Welt-Down-Syndrom-Tag" genanntes Positionspapier an alle Mitglieder des Deutschen Bundestags versandt. Anlaß ist dieser Erklärung zufolge die bevorstehende Einführung des PraenaTest genannten nichtinvasiven Untersuchungsverfahrens für Trisomie 21.

 

Die Lebenshilfe und die Down-Syndrom-Organisationen formulieren dabei folgende Thesen:

1- Tatsächlicher medizinischer Fortschritt ist nur solcher, der auf eine "Heilung" abzielt
2- Insofern ist die Einführung von Untersuchungen, die Voraussetzung für Heilung schaffen, zu begrüßen

3- Der PraenaTest dient nur insofern dem Leben, als er das Risiko einer Fehlgeburt ausschließt
4- Wird die Diagnose Trisomie 21 gestellt, steht das Leben des Kindes zur Disposition 

5- Es ist Zeit zu hinterfragen, ob die Mitglieder unserer Gesellschaft einen medizinischen Fortschritt ohne Verantwortung wünschen und mittragen wollen
6- In der allgemeinen Auffassung stellt die Behinderung eines Kindes einen legitimen Grund für eine Abtreibung dar
7- Dies widerspricht jedoch dem Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 des Grundgesetzes und ist nicht zutreffend

8- Es gilt deshalb, eine längst überfällige gesellschaftliche Debatte zum Thema „Pränatal-Diagnostik und Down-Syndrom“ als zentralen Punkt auf die Aufklärungsagenda zu setzen

Dieses Positionspapier, so menschlich nachvollziehbar – aber, vergl. unten, unbegründet – die dort formulierten Ängste sind, gehen in den zentralen Thesen irr. Diese sind mehrheitlich in den Einzelpunkten inhaltlich nicht zutreffend und damit im Zusammenhang einer formulierten Kausalkette sachlich falsch:

Ad 1- Medizinischer Fortschritt betrifft alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, welche gesundheitlichen Schaden abwehren (Prävention), lindern (Palliation) oder korrigieren (Heilung, Sanation). Die Reduktion von medizinischem Fortschritt auf alleinige Heilung blendet die beiden gewichtigsten Bereiche der Medizin in unsaschlicher und unzulässiger Verkürzung aus
Ad 2-Die einführung jeglicher medizinischer Maßnahme, welche Gesundheit erhält bzw. wiederherstellt und chronische, unheilbare Leiden mildert bzw. lindert, ist zu begrüßen

Ad 3- Der PraenaTest schließt nicht das Risiko einer Fehlgeburt aus. Er hilft, die Rate von Fehlgeburten bei genetisch gesunden Kindern zu senken.
Ad 4- Der PraenaTest ist kein primäres Instrument, um nach Vorliegen eines Down-Syndroms zu fahnden. Er ist überdies ein Test- nicht ein Diagnoseverfahren.

Ad 5- Medizinischer Fortschritt in der Pränatalmedizin ist in ein immer enger gefasstes Netz einer ethischen und juristischen Verpflichtungen eingebunden. Es gibt in unserem Rechtsstaat für niemanden (Arzt-Patientin-Gesellschaft) einen medizinschen Fortschritt ohne Veranwtortung.
Ad 6- Die Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung im Fall einer fetalen Erkrankung obliegt allein der individuell davon betroffenen Schwangeren. Dabei ist der Abbruch in dieser Situation nicht legitim, sondern vielmehr rechtswidrig, aber straffrei (§218a Abs. 2 StGB). Eine kindliche Behinderung bedeutet keinen Automatismus hin zum Abbruch.
Ad 7- Der Schwangerschaftskonflikt, dem die Schwangere im Moment der Diagnosestellung einer fetalen Erkrankung unterliegt, speist rechtlich gesehen sich nicht aus der Frage, ob sie ihr ungeborenes diskriminiert oder nicht, sondern welche absehbaren Auswirkungen diese fetale Erkrankung auf ihre maternale Gesundheit hat. Dabei muß sie eine immer schmerzliche Interessens- bzw. Güterabwägung vornehmen.

Ad 8- Die gesellschaftliche Debatte zum Thema „Pränatal-Diagnostik und Down-Syndrom“ wird seit 50 Jahren geführt. Sie wurde dabei fortwährend an die jeweils aktuelle medizinische Entwicklung angepasst und fand Eingang in die daraufhin weiterentwickelte Gesetzgebung. Die Einführung des PraenaTests macht eine gesellschaftliche Diskussion in der Tat erforderlich. Sie ist allerdings nicht dazu geeignet, die gesellschaftliche Entwicklung der letzten 50 Jahre rückabzuwickeln und der Schwangeren ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung in rückwärtsgewandter, fundamentalkonservativer patriarchalischer Manier abzuerkennen.

Damit ist dieses von hochrangigen gesellschaftlichen Gruppierungen erstellte Positionspapierer erneut ein vertane Chance, endlich eine reife, engagierte, aber inhaltlich-sachlich zutreffende Debatte zum Thema "Neuerungen in der Pränatalmedizin" zu führen. Es fügt sich damit bedauerlicherweise ein in die Vielzahl der Stimmen, welche das Recht auf informierte Entscheidung der Schwangeren, ebenfalls legitimiert durch das Grundgesetz, vorsätzlich ignorieren. Damit ist dieses Papier dazu angetan, erneut eine gesellschaftliche Scheindebatte zu befeuern, ohne daß dadurch Licht vom Baum der Erkenntnis in die Dunkelheit unserer kreatürlichen Beschränktheit gebracht würde.

 

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